Ehrenhauptmann Otto v. Habsburg

Bei der Generalversammlung der Speckbacher Schützenkompanie Absam, am 14.02.1932 wurde der einstimmige Beschluss gefasst, Otto von Habsburg zum Ehrenhauptmann zu ernennen. 

Im Folgenden eine Chronologie verschiedener Ereignisse des Jahres 1932 zu diesem Thema.

Generalversammlung am 14.02.1932

Zur Anfrage von Karl Zanger über diesen Tagesordnungspunkt, berichtet Hauptmann Karl Corazza, dass er über Wunsch mehrerer Mitglieder einen Antrag eingebracht hat, gleich der Gemeinde Ampaß, vieler anderer Gemeinden und Vereinigungen, gegen die Ausnahmegesetze gegen das Haus Habsburg zu protestieren. Nach längerer Debatte und Aufklärung wurde dieser Antrag angenommen. 

Weil die Zeit der Generalversammlung schon weit fortgeschritten war, viele Mitglieder früher nach Hause gehen mussten zur Viehfütterung, wurde von den noch anwesenden Mitgliedern einstimmig beschlossen, Otto von Habsburg zum Ehrenhauptmann der Speckbacher Schützenkompanie Absam zu ernennen mit dem Zusatz, die Zustimmung der heimgegangenen Mitglieder einzuholen. 

Das Schriftstück wurde verfasst, von 35 Mitgliedern am gleichen Tag noch unterschrieben, zur Ausschusssitzung am 15.02.1932, betreffs Einsichtnahme und Beschlussfassung vorgelegt. 

Präsident Müssigang überbrachte noch die Wünsche und den Dank des Tioler Krieger- und Schützenbundes, sprach über die Aufgabe und Ziele der Tiroler Schützen. 

Ausschusssitzung am 15.02.1932

Beim Schriftführer Franz Neumann, mit folgender Tagesordnung: “Ehrenhauptmann Otto v. Habsburg”. 

Anwesend waren: Hochw. Benefiziat Karl Knittel, Karl Mayr jun., Karl Zanger, Obm. Hans Felder sen., Hauptm. Karl Corazza, Franz Unterfrauner, Johann Colleselli, Franz Neumann, Leo Haider, Josef Wirtenberger (Keil), Alois Leitner, Hans Huber und Hans Hornsteiner. 

Hornsteiner Johann hat die Aufgabe, für das bei der Generalversammlung verfasste Schriftstück, bzgl. Ernennung Otto von Habsburg zum Ehrenhauptmann, die noch fehlenden Unterschriften von den Schützen, welche früher nach Hause gingen zum Füttern, oder nicht teilnehmen konnten, einzuholen. Er konnte das Schriftstück mit allen noch außenstehenden Unterschriften, zur Einsichtnahme und Beschlussfassung, den anwesenden Ausschussmitgliedern vorlegen. 

Es wurde beschlossen, Baron Dr. Paul v. Kripp zu ersuchen, ein Schreiben an Kaiser Otto von Habsburg zu verfertigen. 

Abschrift des Gesuches der Speckbacher Schützenkompanie an Otto v. Habsburg:

“Kaiser Otto von Habsburg!” 

Euer kaiserliche und königliche apostolische Majestät, allergnädigster Herr u. Kaiser! 

Die Speckbacher Schützenkompanie Absam, die sich die Pflege der gut-tirolischen Überlieferung zur besonderen Pflicht gemacht und bei der Vollversammlung, am 14.02.1932, den einstimmigen Beschluss gefasst hat, Euere apostolische Majestät, um huldvolle Annahme der höchsten Ehrung, welche die Kompanie zu vergeben hat, der Erwählung zu Ihren  

Ehrenhauptmann  

zu bitten. 

Wehrhafte Söhne Tirols, das seine Treue so oft mit Herzblut besiegelt hat, und Männer die Anno Nein unter dem heimischen Helden Josef Speckbacher für Gott-Kaiser u. Vaterland ruhmreich gestritten haben, Mitkämpfer aus dem Weltkrieg, Jungschützen im selben Gedanken vereint, wollen damit der alten Anhänglichkeit an das geliebte Kaiserhaus-Österreich feierlich Zeugnis geben. 

Es soll dieser Beschluss auch eine schwache Sühne sein für das, was leider auch Tirol in dunklen Tagen, als der beste Teil des Volkes ferngehalten war, gefehlt und versäumt hat. 

Es ist gleichzeitig eine aus empörten Herzen kommende Verwahrung, gegen das im ganzen Lande schwer empfundene Unrecht, jener sogenannten Gesetz, die Verbannung und Beraubung gegen unser angestammtes Herrscherhaus aussprechen wollen. 

Es wurde beschlossen, dass Hauptm. Karl Corazza u. Obmann Felder Johann, in Spechbacheruniform, das Schreiben an “Graf Stellberg zu Stellberg”, dem Stellverteter Otto v. Habsburg, zu überreichen. 

Gebe Gott, dass sie bald nur mehr ein Stück beschämender Vergangenheit sind! 

Die Speckbacher Schützenkompanie Absam senkt in tiefster Ehrfurcht und unwandelbarer Treuer vor Eurer apostolischen Majestät die Fahne. 

Absam bei Hall in Tirol, am 15.02.1932. 

Johann Felder, Oberschützenmeister 

Leo Haider, stellv. Oberschützenmeister 

Johann Hornsteiner, Schriftführer 

Karl Corazza, Schützenhptm. 

Michael Mayr, Oberleutnant 

Franz Unterfrauner, Leutnant 

Gottfried Eder, Leutnant 

Johann Hornsteiner bekam den Auftrag, Spender in der Kompanie zu suchen welche bereit sind, zur Anschaffung einer Speckbacheruniform für Ehrenhauptmann – Kaiser Otto von Habsburg, beizutragen. 

Folgende Schützen haben zur Anschaffung einer Uniform für Kaiser Otto beigetragen: 

  • Familie Karl Mayr – Dorf, Hut mit Feder, Wert S 11,- 
  • Josef Peinstingl, Johann Weber, Tanti Enrich, Michl Zanger u. Josef Kaltenbrunner, zus. f. Hose, Wert S 25,- 
  • Josef Würtenberger, Karl Zanger, Johann Colleselli zusammen für 1 Rock, Wert S 20,- 
  • Fam. Michl Mayr, Bauer, Breitweg für 1 Weste, Wert S 12,- 
  • Josef Felder, Schmied, Hemd aus Bauernleinen, (Frau Colleselli genäht), Wert S 20,- 
  • Johann Hornsteiner, Altsilberring-O.v.H. eingraviert (gemacht Huber Max Absam), Wert S 10,- 
  • Franz Neumann u. Johann Felder, Ranzen m. Doppeladler, Wert S 60,- 
  • Fam. Josef Corazza, Strümpfe aus Bauernschafwolle (gestrickt von Frau Corazza), Wert S 16,- 
  • Julius Huber, Fabrikant, Halbschuhe, handgemacht, Wert S 40,- 
  • Dr. Ernst v. Verdroß, eine Feldbinde, kein Wert angegeben 
  • Karl Corazza Schützenhauptmann, Album mit Goldschriftaufdruck “Speckbacher Schützenkomp. Absam”, Wert S 17,- 

OTTO VON HABSBURG 

Otto von Habsburg, in Österreich amtlich Otto Habsburg-Lothringen, wurde am 20. November 1912 in Reichenau an der Rax geboren und verstarb am 04. Juli 2011 in Pöcking/Bayern. Er war der älteste Sohn von Karl I., dem letzten Kaiser von Österreich und König von Ungarn, und seiner Frau Zita. Er war somit von 1916 bis 1918 letzter Kronprinz von Österreich-Ungarn – wurde jedoch entgegen der Bezeichnung im Schreiben zur Ernennung zum Ehrenhauptmann der Schützenkompanie – nie zum Kaiser gekrönt. 

Otto Habsburg war entschiedener Gegner von Adolf Hitler, den Anschluss Österreichs an Deutschland und des Kommunismus – sorgte in der Vergangenheit mit seinen Aussagen/Reden zum Rechtsextremismus jedoch mehrmals für Kontroversen.  

dass die Ernennung Otto von Habsburgs zu einem Ehrenmitglied oder Ehrenbürger, wie es in zahlreichen Schützenkompanien und Gemeinden passierte, nicht immer friktionsfrei über die Bühne ging, ist in einem Bericht der Volkszeitung vom 11. Mai 1932 nachzulesen: 

Ehrenhauptmann-Ernennung mit Hindernissen

Ausgabe Nr. 108 der Volkszeitung vom Mittwoch 11. Mai 1932:

Bekanntlich bemühen sich die aristokratischen Drahtzieher in den Schützenvereinen im Schweiße ihres Angesichtes die Schützenkompagnien als Vorspann für ihre monarchistischen Dunkelmännerpläne zu mißbrauchen, um dem Otto Habsburg recht viele Schützen-Ehrenhauptmann-Ernennungen präsentieren zu können. Manche Tiroler Schützenkompagnien ließen sich dann auch auf diese Weise von dem aristokratischen Klüngel einseifen, andere gingen allerdings den schwarzgelben Gschaftelhubern nicht auf den Leim. 

Wie solche Ehrenhauptmann-Ernennungen fabriziert werden, zeigte sich übrigens am letzten Samstag bei der Hauptversammlung der Wiltener Schützenkompagnie im Schützenheim auf dem Berg Isel. 

Hauptmann der Kompagnie ist der Schmiedemeister Haim, der im Schatten des Wiltener Klosters haust; ein Umstand, der es erklärlich erscheinen läßt, daß sich an besagter Hauptversammlung der Herr Hauptmann und Schmiedemeister in Positur setzte und verlangte, daß die Schützenkompagnie den Otto Habsburg zum Ehrenhauptmann ernenne. Der Herr Hauptmann ist in diesem Falle natürlich nur ein Strohmann vorgeschoben von den Klostergewaltigen und anderen Habsburgerinteressenten, wie “Graf” Künigl. “Baron” Graf usw. Die Schützenkompagnie war jedoch von dem hauptmännischen Vorschlag nicht restlos begeistert, und aus der Versammlung heraus wurde verlangt, daß über den Antrag mittels Stimmzettels abgestimmt werde. Die Väter des Ehrenhauptmann-Ernennungsplanes fürchteten aber mit Recht, daß bei einer geheimen Abstimmung ihr Antrag ein wenig rühmliches Schicksal erleiden würde; sie hintertrieben die geheime Abstimmung und es musste offen abgestimmt werden. Mit dem Erfolg, daß Otto tatsächlich zum Ehrenhauptmann gestempelt wurde. Weil begreiflicherweise die Geschäftsleute, Arbeiter und Angestellten, die der Schützenkompagnie angehören, fürchten mußten, wirtschaftlich geschädigt zu werden, wenn sie nicht so tanzten, wie die Herrren schwarzgelben Macher pfiffen! Immerhin stimmten aber selbst unter diesem Druck einige Mitglieder der Kompagnie nicht für die Ernennung und Otto Habsburg wird sich also damit abfinden müssen, zum Teil gegen den Willen seiner Wiltener Schützenkompagnie-”Kameraden” (wozu sicherlich auch die zu zählen sind, die es vorzogen, nicht an der Hauptversammlung teilzunehmen) Ehrenhauptmann geworden zu sein! Aber die Herren, die Otto von diesen “neuen Beweis der kaisertreuen Gesinnung des Tiroler Volkes” unterrichten, werden die Sache schon so deichseln, daß man in Steenokerzeel überzeugt davon ist, die Wiltener Schützenkompagnie habe mit überschäumender Begeisterung ihren neuen Ehrenhauptmann gewählt… 

Schützenjahrtag am 13.11.1932

Die Tiroler Bauernzeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 24. November 1932:

Ehren- und Schützenjahrtag der Speckbacher Schützenkompanie Absam 

Unter Vorantritt der Bürgermusik von Absam marschierten in Begleitung des Tiroler Landes-Krieger- und Schützenbundes unter Führung ihres Präsidenten Müssigang jun., des Kameradschaftsvereines gedienter Soldaten unter Führung ihres Ehrenpräsidenten Kommerzialrat Fröhlich, des Kriegervereines für Innsbruck und Umgebung und des Kriegervereines Mühlau die Schützenkompagnien von Absam zur Kirche, wo während der Festmesse die Bürgermusik Haydns Messe und nach der Wandlung die Prager Engel-Serenade in stimmungsvoller Weise vortrug. Nach Verklingen der Bundeshymne versammelten sich alle Formationen unter großer Beteiligung der Bevölkerung um das Kriegerdenkmal zur Ehrung der Helden. Auch Herr General Jakob, Präsident des Alt-Kaiserjäger-Klubs, war zu dieser Ehrung erschienen. Am Fuße des Denkmals hielt Präsident Müssigang eine ergreifende Gedenkrede und legte im Rahmen der Speckbacher Schützenkompagnie Absam einen Kranz nieder, die hierauf eine Decharge abgab, nach der die Musik “ich hatt’ einen Kameraden” spielte. Beim Frühschoppen im Gasthaus Ebner fand die feierliche Angelobung von acht neuen Mitgliedern statt. Präsident Müssigang hielt eine zündende Ansprache über die Schande in Bozen, für die Freiheit der Brüder im Süden und für die Gerechtigkeit der Tradition. Voll Begeisterung schied man erst um 1 Uhr nachmittags voneinander. 
Ebenso erhebend wie die Vormittagsfeier war der Festabend. Die Stirnwand des Saales zierten die mit schwarzgelben Fahnen und Blumen geschmückten Bilder Kaiser Karls und der Kaiserin Zita, darüber der Spruch: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist! Die Musik stimmt die Volkshymne an. 

Frisch und klar trägt der jüngste Speckbacher Schütze einen sinnigen Gruß vor, einen dreifachen Gruß an Otto. Hauptmann Corazza begrüßt die überaus zahlreich erschienenen Gäste aus nah und fern. Er gedenkt, wie die Absamer Schützen als erste den Kaisersohn zum Zeichen des Protests gegen die Unrechtsgesetze und zum Beweise dafür, daß die alte Treue nicht tod ist, am 14. Februar d.J. zum Ehrenhauptmann ernannt haben. Nun ist der Dank des Kaisers eingetroffen. 

Graf Stolberg bringt im Namen des Landesfürsten Gruß und Dank an die treuen Speckbacher Schützen. Dann gibt er Antwort, warum Österreich und Habsburg so in den Kot getreten wurden, und daß der Kaiser und die Familie seines Vaters in der Fremde, verbannt, angewiesen auf Wohltaten edler Menschen aus den ehemaligen Feindesstaaten leben müssen. Und trotzdem lebt im jungen Kaiser echte Liebe und Treue zu seinen Völkern, zu seinem Tiroler Land. In schlichten Worten erinnert er in seinem Handschreiben an Speckbacher, das Vorbild der Absamer Schützen, und nennst sich mit Stolz ihren Ehrenhauptmann, äußert nur einen Wunsch: Tirol möge wieder auferstehen! 

Gerührt dankt Hauptmann Corazza. Wir wollen es halten, wie es alter Tiroler Brauch ist, wir wollen eintreten für Recht und Gerechtigkeit, für Gott, Kaiser und Vaterland. Was unseren Vätern heilig war, soll auch uns heilig bleiben…. 

DIE ERSTE REPUBLIK

Am 21. Oktober 1918 traten 208 Abgebordnete des Reichsrats zur Provisorischen Nationalversammlung für Deutschösterreich zusammen. Diese Provisorische Nationalversammlung setzte am 30. Oktober 1918 die erste Regierung unter Karl Renner ein. Nachdem Kaiser Karl am 11. November auf seinen Anteil an den Staatsgeschäften verzichtete, wurde die demokratische Republik Deutsch-Österreich am 12. November 1918 durch die provisorische Nationalversammlung ausgerufen (ab 21. Oktober 1919 offiziell Republik Österreich). Mehrere hunderttausend Menschen zogen vor das Parlament, um deren Gründung zu feiern. 

“Was unseren Vätern heilig war, soll auch uns heilig bleiben…” 

Zum Zeitpunkt der Ernennung Otto Habsburgs zum Ehrenhauptmann der Schützenkompanie existierte die erste Republik schon seit 14 Jahren und die Habsburger lebten bereits 11 Jahre im Exil.

Dass die erste Republik noch nicht überall in den Köpfen der Bevölkerung angekommen war, zeigt, dass im Jahre 1932 immer noch Festsäle mit schwarzgelben Kaiserfahnen geschmückt, und den ehemaligen Monarchen die Treue bekundet wurde.

Der Begriff “Tradition” wird also dann zum Problem, wenn staatliche Strukturen und geltende Gesetze nicht anerkannt werden. Es ist daher, besonders in der heutigen Zeit, empfehlenswert, gewisse Traditionen nicht unreflektiert zur Kenntnis zu nehmen, sondern durchaus auch kritisch zu hinterfragen. 

Quellen: Zusammenstellung verschiedener Berichte aus einem alten Protokollbuch der Schützenkompanie Absam von Schriftführer Hans Würtenberger im Jahr 1990 aus dem Gemeindearchiv Absam. 

Text: Thomas Pittl, Bilder: Gemeindearchiv Absam

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