1779/80 war ein arges Lawinenjahr. Von altersher werden die „Lahnen“ mit wilden Jungfrauen in Verbindung gebracht, die ihr Unwesen in den Bergen treiben.
132 Klafter hartes und 25 Klafter feichtes Holz wurden umgelegt. Das Dach der oberen Ladhütte und die hintere Giebelmauer eingeschlagen, der Buchenwald war halbenteils zu Boden geworfen. Alle diese Abgänge sind bekannt und auf den Tag erwartet.
Die „Bergangerl – Windlahn“ hat die daselbst gestandenen Scheitter-Linien ein wenig gezählet.
Die „Türl-Wildlahn“ welche die bei der oberen Brücke gelegene Surstube Bäumer ein Stuck des Wegs mit sich gehen lassen.
Eine neue Lahn, von welcher man sonst nichts wußt, vom Steinberger Waldele hinter das Kaplanhaus. Diese hat sich zugleich mit dem Dach aufgehäuft und im Gebäu ein und andere Klüft gemacht. Den zu End des Hauses gestandenen Stall hat es über den Haufen geworfen, weil dieses Quartier im Neugebäu (der Herrenhäuser) errichtet worden. Es ist selber hernach abgebrochen.
Die „Steinberg-Lahn“ welche diesmal auch der Königsberger-Behausung eine Visite abgelegt. Sie hat dazu aber keinen Schlüssel gebraucht. Die Stubentür wurde durch Aufreißung der Schließhaken geöffnet. Überdies hat sie es sich so komode gemacht, daß sie inder Stuben auf des Oberbergmeisters Bett hat ausrasten und zugleich durchs Fenst hat aussehen können.
Eine zweite Wildlahn vom Steinberg Gebirg, welche ich just hab brechen sehen. Wir waren just hinter dem Karlberg, so hörten wir einen Knall, gleich als wenn ein starkes Feuergewehr losgegangen wär. Dies war ein Anblick, der mir allzeit wird vor Augen stehen, so oft ich von einer Windlahn hören werde. Der Knall, die zugleich einem angezundenen Pulverhaufen aufsteigenden Schneewolken, welche sich ziemlich auseinanderbreiteten, und das schnelle Abfahren waren eins. Diese Lahn hatte aber an sich selbst nicht viel zu bedeuten, denn sie reichte nicht weit über den Steinberg hinab. Dagegen ist die erstere, welche in der Nacht gebrochen und, wie vorher gesagt, in der Behausung sich gemeldet, hinter dem Garhüttl bis vor den Karlberg hinabgegangen, wobei viele Larchhölzer haben brechen müssen.
Die „Mitterberglahn“ welche auch Kuchl, Stübl und Offizierskammerln besetzt und zwar so, daß man zur Austreibung derselben Pickel und Schaufel brauchen müssen. Alle 3 Kamin wurden abgeworfen und das Haus selbst durch einige Klüft beschädigt. Folgt das Meisterstück von den Verrichtungen dieser zwei Tage, nämlich die Wasserberger-Ladenhütte. Diese hat die dahinter herabgehende Lahn so zugerichtet, daß man an ihren ferneren Gebrauch fast ganz verzweifelt hat. Wär sie selbst nicht mit Holz angefüllt gewesen, hätte man in die Reliquien davon im Oberberg suchen müssen. In der 26. Woche (23. bis 29. April) sind der Direktor Dr. Johann von Menz, die Salzamträte v. Walpach, Heinz und Lenoble, am Berg gewesen und haben den Augenschein wegen der Schneelahnen eingenommen. Bei dieser Gelegenheit hat man die Wasserberger-Ladenhütte zu reparieren resolviert. Wegen der Lahnsgefahr ist man wieder auf den Vorberg-Durchbau verfallen.
Diese Herbstzeit (1780) wurde an den Tag- und Lahnsarbeiten über Hals und Kopf fortgefahren. Die zwei Lahngraben für die Stein- und die Königsberglahn zwischen diesen zwei Bergen bekommen eine recht possierliche Gestalt, das Strähnwerk, welche eh recht ungeordnet dalag, wurde in die Ordnung gelegt, der Weg auf eine recht taugliche Art errichtet, in Summa alles, was sowohl zur Zierde als zur Nutzbarkeit dient, unternommen. Eine Schicht hat das ganze Jahrauf den Wegarbeiten im Tal gestanden, mehr denn drei Schichten sind auf den Reißen zu den Lahnarbeiten gewidmet gewesen. Im nächsten Jahr wurden die Lahnsgefahren – Abwendungsarbeiten von allerhöchstem Ort aus vollkommen gutgeheißen.
Bemerkungen zur Lawinengefahr im Halltal
Seit der Salzbergbetrieb im Jahre 1967 geschlossen wurde, werden von vielen Urlaubern, aber auch von Einheimischen, im Winter unbekümmert ob der latenten Lawinengefahr Wanderungen ins Halltal unternommen. Wie heimtückisch aber die Gefahren durch den weißen Tod lauern, beweisen die vielen Marterln, die an die jähen Überraschungen erinnern.
Es ist somit ein Gebot der Stunde, an die Unglücksfälle der Jahre 1529, wo 3 Salzbergarbeiter (Gedenkblock unterhalb St. Magdalena) ums Leben kamen, 1565, das sogar 10 Bergleute hinwegraffte (Gedenkstein beim Bettelwurfbrunnen) und 1922, wo der letzte Knappe tödlich verunglückte (Erinnerungstafel beim Bettelwurfbrunnen), zu denken.
Wie hoch sich die Schneemassen türmen, wie weit sie über dem Halltalbach auf die andere Straßenseite aufstauen, zeigt die Kreuzigungsgruppe, die in einer Felsnische von Bergarbeitern 1888 angebracht worden ist.
Einige Jahre später ist zum Schutz der Bergleute von der Bergverwaltung der „Fluchtsteig“, der östlich vom Bettelwurfbrunnen ansteigt und bei der 2. Ladhütte wieder in die Salzbergstraße mündet, angelegt worden.
Vorsicht ist also ratsam und besser, als sorglos die lauernden Gefahren zu mißachten und die weiße Pracht der „wilden Jungfrauen“ zu bewundern. Es mag allen eine deutliche Warnung sein, das Schicksal nicht leichtfertig herauszufordern, vor allem aber die Ratschläge zu befolgen.
Aus
der brief – aktuelles aus der pfarre st. josef absam eichat
Vom Dorfchronisten Dir. Fintl
JG 5 Nr. 23 Juli 1979
JG 5 Nr. 24 August 1979
Die wilden Jungfern im Halltal
Aus den im Jahr 1900 erschienenen Hochlandsklängen von August Lieber
Wo grau ob flüstender Buchen Pracht
Des Kalksteins Geklippe zum Himmel ragt,
Wo der Wildbach durch Blöcke die Bahn sich sucht,
Da hausen in öder Felsenschlucht
Die wilden Jungfern im Halltal.
Hoch droben im Bettelwurfkar, über den Platten und der Hohen Wand, hausen sie. Im Sommer und Herbst schlafen sie einen tiefen Schlaf. Im Bergwinter, wenn sie erwachen und über die Steilhänge zur Tiefe rasen:
Entsetzen erfasst, was da atmet und lebt,
Des Alpendomes ewiger Bau erlebt!
Wie von der Sense des Schnitters gemäht,
Stürzt krachend des Hochwalds Majestät
Vor den wilden Jungfern im Halltal.
Österreichische Forst- und Jagdzeitung
Ausgabe 29. Jänner 1897
Lawinenschäden im Forstbezirke Hall in Tirol
Winter 1895/96